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Von Christopher Müller (Text & Foto) und Mailin Matthies (Daten)
Lesedauer: ca. 4 Min.

Für Junglandwirt Lukas sind 20.000 Schritte an einem Tag allein bei der Arbeit nichts Ungewöhnliches. Ein Wert, von dem fitnessbewusste Büroangestellte vermutlich nur träumen können. Lukas trackt seine Schritte und seinen Puls während der Arbeit mit einer Smartwatch. Die Daten geben einen Einblick, wie anstrengend die Arbeit in der Landwirtschaft tatsächlich ist.

Am rechten Bildschirmrand sind Lukas Puls und Schrittzahl im Tagesverlauf zu sehen.

Donnerstag: 6:00 Uhr

Für Lukas beginnt die Arbeit schon früh. Um 6 Uhr steht er auf den Beinen und fährt mit dem Auto die zwei Kilometer zum Hof. Oft weiß er morgens noch nicht, was ihn an Arbeit erwartet. An diesem Donnerstag beginnt der Tag für ihn um sieben Uhr mit Stall ausmisten. Alle sieben Wochen muss das passieren. Dann endet ein Mastdurchgang und die Hähnchen kommen zum Schlachthof. Was bleibt, sind 70 Tonnen Mist in zwei 85 Meter langen Ställen.

„Ich will mich körperlich betätigen. Die Arbeit mit Tieren und Maschinen macht mir einfach Spaß. Man ist den ganzen Tag draußen und die Arbeit ist sehr vielseitig. Als Landwirt bist du Elektriker, Schlosser, man ist alles gleichzeitig“, sagt der junge Landwirt. Stören tut ihn die Anstrengung aber nicht. „Ich wollte schon immer Landwirt werden. Früher stand ich immer am Feld und wollte bei der Maisernte auf dem Traktor mitfahren. Ich hab‘ mit zwölf schon auf dem Hof vom Nachbarn geholfen“, erklärt er.

Anstrengung gehört dazu?

Heute ist er ausgebildeter Landwirt und bildet sich gerade neben seiner Arbeit auf dem Hof an der landwirtschaftlichen Fachschule Cloppenburg weiter. Anstrengung gehört für ihn dabei zum Alltag. „Wenn man mehrere Tage hintereinander von sieben bis 22 Uhr arbeitet, jeden Tag mit den Händen arbeitet, ist das schon anstrengend“, erklärt Lukas. Vieles hänge auch von der Größe des Betriebes ab. Während große Höfe mehr Geld verdienen und sich auch mehr Technik leisten können, ist auf kleinen Höfen noch mehr körperliche Arbeit gefragt.

Die Anstrengung dabei empfindet jeder anders. „Sobald die Körperfunktionen deutlich vom Ruhewert abweichen, spricht man in der Medizin von Anstrengung“, erklärt der Sportwissenschaftler Andreas Kramer von der Sportklinik Hellersen. „Anstrengung ist die körperliche oder psychische Beanspruchung des Organismus. Die wichtigsten kontinuierlich erfassten Parameter dafür sind die Herzfrequenz, die Schrittzahl sowie die Aktivitätszeit.“

7:00-12:50 Uhr

Lukas ist diese Arbeit zwar schon gewohnt. Spurlos geht sie aber auch an ihm nicht vorbei. „Im Hähnchenstall ist es mindestens 30 Grad heiß, bevor die Küken kommen. Das ist schon anstrengend, vor allem, wenn ich mal ’ne Lampe an der Decke austauschen muss“, sagt Lukas. Technik macht den Job nicht unbedingt leichter. Zum Beispiel, wenn er mit dem Teleskoplader im Stall fährt. „Man muss sich drei bis vier Stunden sehr konzentrieren und aufpassen, dass man keine Menschen übersieht oder den Stall kaputt macht“, erklärt Lukas. Da wo der Teleskoplader nicht hinkommt, muss Lukas nochmal mit der Schaufel an die zehn Zentimeter dicke Mistschicht ran.

Wie körperlich anstrengend eine Arbeit ist, zeigt auch die Herzfrequenz. Beim Ausmisten der Ställe ist Lukas Herzfrequenz sehr unterschiedlich - je nachdem, was er gerade genau tut.
Als anstrengend gilt eine Arbeit, bei der die Herzfrequenz über einem bestimmten Zeitraum erhöht ist - konkret heißt das: Ein Puls der 20 Prozent über dem Ruhepuls liegt. Lukas Ruhepuls liegt etwa bei 59 Schlägen pro Minute. Ab 71 Schlägen pro Minute ist eine Arbeit für Lukas also anstrengend. Während des Arbeitstages liegt sein Puls fast durchgehend darüber.

12:50-13:30 Uhr

Nach dem Ausmisten geht es für den jungen Landwirt direkt weiter. Ein LKW bekommt einen neuen Anhänger.

Die Stützfüße ausfahren, die Sattelplatte lösen – auch das macht er alles von Hand.

13:30-14:20 Uhr

Genug Zeit zur Erholung gibt es für ihn in der Mittagspause. Dann isst er mit den Kollegen, seinem Chef und dessen Familie auf dem Hof.

Auch seine niedrigere Herzfrequenz zeigt, dass sich Lukas in der Mittagspause etwas erholen kann.

14:20-15:00 Uhr

Danach muss sich Lukas wieder konzentrieren und fährt den LKW zum Feld. Dort wird das gedroschene Getreide aufgeladen und weggefahren.

Körperlich ist das nochmal richtig anstrengende Arbeit: Etwa 135 Mal pro Minute im Durchschnitt schlägt sein Herz dabei - der höchste Durchschnitt für eine Aktivität im Laufe seines Arbeitstages. Zu der körperlichen Anstrengung kommt dabei auch die Konzentration, die er zum Beispiel beim Fahren des großen LKWs braucht.

Von der Konzentration mal abgesehen, empfindet Lukas eher wenig mentale Anstrengung bei der Arbeit. „Ich bin ja angestellt und leite den Hof nicht, da spüre ich keinen mentalen Druck.“

15:00-16:15 Uhr

Trotzdem: Lukas kann oft schlecht planen. „Du freust dich zum Beispiel den ganzen Tag auf ein Familientreffen, versuchst pünktlich Schluss zu machen und dann kommt noch was. Erst sagt man noch: ‚Ich komme später nach.‘ Und dann lohnt es sich irgendwann nicht mehr und man bleibt zuhause“, erinnert sich Lukas.

Um 15 Uhr steht die letzte Aufgabe des Tages an. Der Bruder von Lukas Chef hat eine Halle, die aufgeräumt werden muss. Gut eine Stunde hilft Lukas dabei und schleppt Schrott aus der Halle zu einem Container.

Mit der Anstrengung ist es dabei noch nicht ganz vorbei. Gerade Heben und Schleppen von schweren Dingen kommt laut einer Umfrage der Sozialversicherung für Landwirtschaft, Forsten und Gartenbau unter Auszubildenden in der Landwirtschaft häufig vor und wird von etwa zwei Drittel der Befragten auch als "belastend" bezeichnet.

Feierabend

Um 16:15 Uhr ist Schluss. Nach gut neun Stunden auf dem Hof. So früh macht er selten Feierabend. „Ich arbeite in der Regel so zwischen acht und 14 Stunden am Tag, je nachdem ob Erntezeit ist und was zu tun ist“, sagt Lukas. Am Ende des Donnerstags stehen bei ihm 25.000 Schritte auf der Uhr – etwa 15.000 davon hat er während seiner Arbeitszeit gemacht. Den Rest – fast 9.000 Schritte – sogar erst nach seinem Feierabend.

Die harte Arbeit und auch die mentalen Anforderungen schrecken Lukas nicht von der Arbeit als Landwirt ab. Im Gegenteil: Er möchte sogar noch mehr Verantwortung übernehmen. „Ich könnte mir vorstellen, irgendwann außerfamiliär einen Hof zu übernehmen. Vielleicht hat man mal eine Freundin, die einen Hof hat oder es ergibt sich was“, sagt Lukas und ergänzt: „Jetzt möchte ich erstmal arbeiten und Geld verdienen. Hauptsache es ist Landwirtschaft.“